Schlussstrich oder doch nicht?

Wenn heute die Buchhalter die berühmte Buchhalter-Nase unter vielen Konten mit der Feder ziehen, dann ist das ein endgültiger Schlussstrich. Allerdings gilt das nicht für alle Konten: nur die mit dem täglichen “ein – aus” werden abgeschlossen, die Aktiva und Passiva gehen ins neue Jahr über. Was also Bestand hat sind die Aktiva und Passiva. Über das tagtägliche Hick-Hack/Ein-Aus scheint das Aktiva und Passiva jeder Person in den Hintergrund zu rücken: Und dennoch, jeder ist ein “Vermögenswert” und als solcher hat er seine “Verbindlichkeit”. Und für diese beiden gibt es keinen Schlussstrich, kein “Jetzt ist Schluss”, keine Null-Toleranz Schlag-Wörter und keine Endlösungsideologie.

Alle Welt spricht von (Beziehungs-) Klima Schutz und trotzdem lässt scheinbar niemand Gras über eine Sache wachsen.

Und deshalb mein NEU Jahr WUNSCH

dass Ihr einer großen Gießkanne gleicht, dessen Inhalt keine tödlichen Substanzen enthält und keinen giftigen Beigeschmack hat, sondern nur Erfrischendes, Hilfreiches und Lebenspendendes enthält: Humor, Gleichmut (ganz gleich was kommt: ich habe Mut), Vergessen und Verzeihen.

Ja und dann blühen wieder Rosen – Rosen der Liebe, Rosen der göttlichen Menschlichkeit

Alles hat seine Zeit

Mit diesem Gedanken habe ich den Ort Copacabana am Südufer des Titikaka-Sees verlassen. Viele Völker haben die Attraktion dieses Ortes, der eine natürliche religiöse Ausstrahlung hat, verspürt und so haben die Aymaras und Quechuas, Inkas und Uros hier ihre Spuren hinterlassen.

So war es denn auch der prädestinierte Ort für die ersten Missionare hier den größten katholischen Marien-Wallfahrtsort Boliviens zu errichten.

Bald nach Weihnachten beginnt für diesen Ort der Wallfahrer-Monat und erreicht seinen Höhepunkt am Fest Mariä Lichtmeß (Darstellung des Herrn). In diesen Wochen sind es kilometerlange Autoschlangen, die sich anstellen für den Weihwasser-Segen. Doch auch die anderen Wochenenden im Jahr haben die Franziskaner Padres reichlich viel zu tun, denn die Leute kommen aus der ganzen nordwestlichen Region Boliviens und sogar aus dem Nachbarland Peru.

“Alles hat seine Zeit” …. zuerst der Pater mit dem Weihwasser und dann streuen die Frauen Blumen rings um das Auto und der stolze Besitzer des Autos hat dann noch seinen traditionellen Segen, auch für das Spielzeugauto seines Sprösslings. Oder es wird damit die Bitte an die Jungfrau Maria zum Ausdruck gebracht, sie möge doch mithelfen, dass aus dem 14-Sitzer einmal ein Lkw wird.

Wie könnte es anders sein an einem Wallfahrtsort: auch für sie gilt: alles hat sein Zeit: Produkte verkaufen und neue wieder herstellen.

Für viele Eltern braucht es keine großen Überredungskünste, um die Kinder mit zur Wallfahrt zu bewegen. Denn auch sie wissen: alles hat seine Zeit und Copacabana hat auch noch was anderes zu bieten:

und manches braucht seine Zeit. Denn vom Hinaufschauen bis man dann tatsächlich oben ist auf dem Kalvarienberg, dauert es: dabei ist es nicht die Entfernung, sondern der Höhenunterschied, der den Gang diktiert: von 3800 Meter Seehöhe auf 4000.

Eine ganz persönliche Erinnerungsstätte an diesem Wallfahrtsort ist für mich die Kerzen-Kapelle. Hier hat mein Schwager Hans am letzten Sonntag im Januar dieses Jahres Kerzen für seine Familie angezündet.

Jetzt brennt dort eine Kerze für ihn

Das Ewige Licht leuchte ihm.

Direkt vor der Haustür

findet jeden Samstag der Bauernmarkt statt. Zwei Straßenzüge sind dann nicht passierbar für Autos. “Bauernmarkt”, das war die ursprüngliche Idee, doch heute findet man auf den hunderten Verkaufsständen alles was man braucht oder auch gerne hätte. Die Bauern der umliegenden Dörfer sollten so eine Möglichkeit haben ihre Produkte an den Mann zu bringen ohne ein Geschäftslokal, das sie sich nicht leisten konnten.

Und natürlich decke auch ich mich hier mit der wöchentlichen  zehn Euro Ration an  Obst und Gemüse ein.

Wären da nicht die fast zwanzig Hunde um das Haus herum, die keine Uhrzeit kennen …. dann wäre heute ein wirklich ruhiger Tag. Der letzte Sonntag im September ist “Fußgängersonntag”. Tarija hat keine Fußgängerzonen, doch dafür zwei Mal im Jahr einen auto-und motorradfreien Sonntag.

Alle Räder stehen still

wenn Tarija feiern will.

Man muss es selber gesehen haben, um es zu glauben: seit dem 16. August zogen die Chunchos  zu hunderten an 10 Tagen durch die Stadt. Und dazu braucht es keine Straßensperren oder gar Polizisten. Das funktioniert einfach so. Und heute am “großen Finale” sind es so an die geschätzten 5000, die auf diese Weise ihrem Stadtpatron, dem Heiligen Rochus – San Roque, ihre Ehre erweisen.

Auf dem besten Weg als Weltkulturerbe anerkannt zu werden
Grün-Gelb-Rot: in der Nacht erstrahlt die Kirche in den Nationalfarben. Sie ist das Wahrzeichen der Stadt Tarija
In der Kolonialzeit erbaut, von den Franziskaners renoviert und 1807 zur Pfarrkirche erhoben
Seit den Tagen des deutschstämmigen Präsidenten ist die Kirche ein historisch, religiöses und kulturelles Denkmal


Im 19. Jahrhundert waren viele Menschen an der Pest erkrankt. Gut 20 Kilometer südwestlich von der Stadt wurde ein eigenes Aussätzigen Heim errichtet. Und die Bevölkerung gelobte dem hl. Rochus – dem Pestheiligen- diese Prozession sollte die Plage von der Stadt verschwinden. Und so erinnern die Trachten der Chunchos an die Pestkranken, die ihren ganzen Körper bedecken mussten. Nur der Federnkopfschmuck hat noch längere Tradition: er ist das typische Erkennungszeichen für die ursprüngliche Bevölkerung, die Guaranis, von Paraguay bis zum Amazonas hin.

Die “Ratsche” soll den anderen sagen: bitte fern bleiben, ich habe Pest

Es wäre ja kein katholisches Fest wenn nicht auch für das leibliche Wohl gesorgt würde: das süße Gebäck – die Rossetas – und das tradionelle Maisgetränk – die Chicha – gehören einfach dazu.

Alle Räder stehen still – doch dafür ist die ganze Stadt auf den Beinen.